Interview: So digitalisiert Angela Raimann den Schweizer Tourismus
von: Ursula Thomas-Stein, kategorien: Content, SEO & KI, Interviews, datum: 15.11.2024
Angela Raimann ist Wirtschaftsinformatikerin, Touristikerin und Bikerin. Sie begeistert sich für digitale Prozesse – speziell im Tourismus. Deshalb ist sie seit 2023 Partner- und Projektmanagerin von discover.swiss. Was ist das für eine Plattform und wem bringt sie was? Das hat sie mir im Interview erklärt.
Angela, welches grundsätzliche Problem im Tourismus löst discover.swiss?
Discover.swiss schafft eine zentrale Plattform, die alle relevanten Daten und Angebote verschiedener Schweizer Tourismus-Anbieter zusammenführt. Hotels, Transport-Anbieter, Event-Veranstalter oder Tourismus-Unternehmen müssen nicht mehr für jede Plattform und jeden Dienst eigene Schnittstellen entwickeln. Stattdessen können sie über eine einzige Verbindung alle wichtigen Informationen austauschen und abrufen. Das spart Zeit, Kosten und oft doppelten Arbeitsaufwand.
Ein Beispiel bitte – wie funktioniert das?
Stellen wir uns eine Tourismus-Destination wie Zürich Tourismus vor. Wie kann sie Informationen über alle Hotels in der Region liefern? Dafür musste die Destination sich bisher mit verschiedenen Datenbanken und Plattformen verbinden, um die Hotel-Stammdaten, Klassifikationen, Nachhaltigkeits-Labels und Qualitäts-Bewertungen zu sammeln. Mit discover.swiss kann Zürich Tourismus jetzt über eine einzige Schnittstelle alle relevanten Informationen abrufen, die bereits aus offiziellen Quellen wie HotellerieSuisse oder Nachhaltigkeits-Datenbanken integriert wurden. So haben auch weitere Partner wie Hotelketten oder Outdoor-Plattformen denselben einfachen Zugriff, ohne die Integration jedes Mal neu zu entwickeln.
Was bringt discover.swiss den Reisenden?
Für Reisende bedeutet discover.swiss, dass sie alle wichtigen Infos und Angebote – von Hotelzimmern über Zugtickets bis hin zu Veranstaltungen – übersichtlich und aktuell an einem Ort finden können, ohne lange suchen oder mehrere Apps nutzen zu müssen. Das macht es einfacher, die Reise zu planen und zu buchen, wobei alle Infos konsistent und zuverlässig sind. Pro Destination gibt es nur noch eine App und einen Gast-Account – schweizweit.
Gibt es ein Vorbild im Tourismus – was ist einzigartig?
Als offene Service-Plattform ist discover.swiss ziemlich einzigartig in der Schweiz. Denn in der Regel sind Applikationen pro Projekt geschlossen. Offene Standards ermöglichen uns, die Daten im Infocenter auf Basis von schema.org sowie im Knowledge-Graph zur einheitlichen und nachhaltigen Informationsverbreitung bereitzustellen. Discover.swiss berücksichtigt auch verschiedene Tools und Mapping-Methoden, um den Inhalt im Infocenter zu organisieren: die Region als Administrative Areas, Typ und zusätzlicher Typ mit schema.org, Kategorien über Aktivitäten-Baum, Tags und Projekte.
Wer liefert den Content für die Plattform?
Unsere Partner, denen die Daten gehören, lassen den Content entwickeln – Texte, Bilder, Videos. Es ist klar, dass hier nur interessante und zuverlässige Inhalte reingehören, die Gästen die Angebote klar vermitteln.
Was war die ursprüngliche Idee?
Initiatorin war Janine Bunte, CEO der Schweizer Jugendherbergen. Sie wollte den Tourismus digital zugänglicher machen, insbesondere für die zirka 50 Destinationen der Schweizer Jugendherbergen eine kostengünstige Möglichkeit finden, um Schnittstellen für Daten und Produkte zu schaffen. Sie trat 2017 an Jon Erni heran, der damals bei Microsoft tätig war und im Unterengadin die Digitalisierung maßgeblich vorangetrieben hat.
Warum wurde eine Genossenschaft gegründet?
Discover.swiss ist genossenschaftlich organisiert, damit die Plattform wirklich von und für die Tourismusbranche getragen wird. Die Partner können Know-how und Erfahrungen teilen, Projekte vorantreiben und die Plattform aktiv mitgestalten, ohne dass der eigene Profit im Vordergrund steht, sondern das Gemeinwohl der Branche. So entsteht ein gemeinsames, nachhaltiges Ökosystem, das der gesamten Community zugutekommt.
Wie sieht das Geschäftsmodell für discover.swiss aus?
Schnittstellen werden von Partnern mit uns in Projekt-Organisationen entwickelt und bereichern die Plattform. Die Kosten übernehmen die Projektpartner. Wer Services von der Plattform bezieht, zum Beispiel vom Infocenter-Datahub, zahlt monatlich einen Abopreis. Wir bieten drei Services: Info-Center, Marktplatz und Gäste-Account. Die Basis-Version kostet 49 Schweizer Franken im Monat. Je nach Transaktionen oder Verwendung kommen flexibel weitere Kosten dazu. Zielgruppe für Abos sind Tourismus-Destinationen aller Größen, überregionale Projekte oder Verbände – beispielsweise auch die Schweizer Jugendherbergen – und Themen, Projekte oder Verbände wie zum Beispiel die Rheinwelten.ch.
Wie verträgt sich die Plattform mit nachhaltigem Tourismus?
Gut – dank den vielseitigen Daten und deren Analyse kann zum Beispiel für die Optimierung von Gästeströmen gesorgt werden.
Was bietet discover.swiss aktuell konkret?
Aktuell haben wir auf der Plattform beispielsweise über 85 000 strukturierte Place-Objekte für so genannte Points of Interests, sowie knapp 28 000 Event-Objekte und über 400 000 weitere Objekte wie Bilder, Empfehlungen, Produkte, Offers oder Blogbeiträge. 70 Partner beziehungsweise Projektverwendungen ganz unterschiedlicher Art liefern App-Inhalte oder Website-Daten und -Strukturierungen. Neue Connectoren, also Schnittstellen, und Projekte kommen monatlich dazu.
Was ist für die nächste Phase geplant?
Die Schweiz weiter zu digitalisieren und unsere Services zu verkaufen, so dass die Plattform weiterwächst und die Mitglieder des Vereins immer mehr profitieren können. Eine nächste Mission ist es, das Schweizer Meldewesen in der Hotellerie mit dem my.discover.swiss-Profil zu standardisieren und strukturieren. Herausforderung hier sind die x verschiedenen Handhabungen von kantonalen, kommunalen Vorgaben zum Meldewesen und Kurtaxen und die vielen unterschiedlichen Reservationssysteme. Wir möchten hier mit einem Gästedaten-Provider das Strukturieren und Schnittstellen-Bauen übernehmen und den Beteiligten das Leben einfacher machen.
Was kann der deutsche und europäische Tourismus von euch lernen?
Was offene Plattformen angeht, sind die umliegenden Länder bereits sehr engagiert und einige interessante und vorbildliche Projekte und Zusammenschlüsse sind etabliert, wie: NOI Techpark Südtirol, Land-in-Sicht AG Freiburg, oder die Plattform Open Data Destination Germany.
Was machst du konkret bei discover.swiss?
Wir sind ein Kernteam von sechs Mitarbeitenden inklusive einem Lead Architect, einem, Software Architect und mir als Partner- und Projektmanagerin. Das heisst, im technischen Umfeld der Plattform-Entwicklung bin ich die Touristikerin und für die Business-Themen zuständig. Ich führe und koordiniere Projekte mit den Partnern und den Entwicklern.
Kennst du die Plattform selbst als Gast?
Als aktives Mitglied bei den Schweizer Jugendherbergen nutze ich discover.swiss in der App der Jugendherbergen regelmäßig. Zudem bin ich viel in Arosa unterwegs, wo aktuell mit al.digital auch ein Großprojekt läuft. Jedes Mal, wenn ich auf der Website die Pistenberichte und geöffneten Anlagen sehe, muss ich schmunzeln, weil ich weiß, was hier für ein Aufwand dahinter steckt um Strecken zu mappen, Daten zu strukturieren und einen Status live anzuzeigen.
Weitere Infos: Genossenschaft discover.swiss, Zürich
Gegründet: März 2018 nach einer Idee von: Janine Bunte (CEO Schweizer Jugendherbergen), Andreas Züllig (Gastgeber Hotel Schweizerhof Lenzerheide), Urs Wagenseil (Experte Destinationsmanagement, Hochschule Luzern), und Jon Erni (damals Mitglied Geschäftsleitung Microsoft Schweiz)
Team: 6 / Jon Erni,Genossenschaftspräsident
Produktidee: digitale Plattform mit drei Produkt-Services: Info-Center, Marktplatz sowie Gäste-Account mit schweizweitem Gäste-Login
Lead-Partner: Microsoft, Innotour / Innovation Tourismus, SECO / Staatssekretariat für Wirtschaft
Förderungen: ca. 760 000 CHF (Innotour) – Unterstützung bis Ende 2023
Website: https://discover.swiss