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Interview: Drehbuchautor Edgar von Cossart über Industriefilme

von: Ursula Thomas-Stein, kategorien: Content, SEO & Co., Interviews, datum: 27.02.2020

Es gibt sie, sagt Edgar von Cossart: gute Industriefilme, Image- und Produktfilme. Der erfahrene Drehbuchautor hat nicht nur für TV-Serien und Dokumentationen Geschichten geschrieben und inszeniert, sondern auch bei Filmen für die Industrie mitgewirkt – für Siemens, Daimler & Co. Er sagt: Gute Filme sind dramatisch – mit einem Helden, einer Heldin, einem Ziel und einem Konflikt. Deshalb meine erste Frage:

 

Herr von Cossart, wie soll das ein Imagefilm in zwei bis vier Minuten schaffen?


Edgar von Cossart: Das Problem ist nicht die Länge, das Problem sehe ich darin, einen Helden zu finden, wobei „Held“ als Synonym verwendet wird für eine bewusst von der Wirklichkeit entkoppelten Figur. Der Held entstammt der Fantasie! Nur so kann der Held all die Dinge vollführen, die die Dramatik von ihm verlangt.

Nicht zufällig stehen in vielen preisgekrönten Reportagen Menschen im Vordergrund, die Außergewöhnliches geleistet haben, die sich ein Ziel gesetzt und es trotz vieler Widerstände – meist – auch erreicht haben.

Egal, für wen Sie welche Geschichte erzählen wollen, lohnt es, sich Gedanken über die Hauptperson zu machen, und wenn es keine gibt, sich Gedanken darüber zu machen, ob es nicht doch eine Hauptperson geben könnte. Es zahlt sich aus.

Ein Industriefilm ist kein Thriller – wie wird er trotzdem spannend und sehenswert?


Cossart: Wir müssen versuchen, den Zuschauer zum Mitmachen zu animieren, er muss dazu gebracht werden zu hoffen und zu bangen. Er hofft, dass irgendetwas passiert und bangt, dass es womöglich nicht passiert. Das sollte nicht nur im Genre des Thrillers gelingen, auch eine Komödie oder ganz allgemein ein Drama kann, muss spannend sein – und auch ein Image-, Produkt- oder Industriefilm.

Allgemeiner formuliert geht es einfach darum, eine gute Geschichte zu erzählen. Beim Zuhören einer perfekt erzählten Geschichte gelangen Menschen in einen entspannten Trancezustand, in dem sie Inhalte noch tiefer aufnehmen können. Oft wirkt die Geschichte im Unbewussten und Erkenntnisse reifen lange weiter.

Welche Regeln muss man beachten und worauf kommt es bei der Vorbereitung eines Image- oder Produktfilms an?

Cossart: Die erste Regel ist die, den oder die Auftraggeber zu überzeugen, dass es nicht in erster Linie um Faktenvermittlung geht, sondern darum, Gefühle anzusprechen. Viele Menschen hören stark auf ihr Bauchgefühl – deshalb sollte ein guter Imagefilm hier ansetzen.

Autoren entwickeln und schreiben Geschichten und Sprechertexte – worauf sollten sie besonders achten?


Cossart: Alles steht und fällt mit der Idee. Es sind Ideen, die Marken aufbauen, einem Produkt Einzigartigkeit verleihen und Menschen bewegen. Man findet sie nicht am Schreibtisch im Büro, man findet sie auf der Straße, dort, wo das Leben spielt, wo Menschen ihrem Alltag nachgehen. Die eigentliche Arbeit besteht nicht im Schreiben, die eigentliche Arbeit besteht darin, sich eine Idee zu überlegen.

Welche Stilmittel eignen sich gut für Storytelling, für emotionales Erzählen im Industriefilm?


Cossart: Jeder Autor hat seinen eigenen Stil, womit nicht nur der Schreibstil gemeint ist, sondern die Art und Weise wie, das heißt mit welchen Mitteln, der Film sein Ziel verfolgt. Die Geschichte sollte möglichst dramatisch erzählt werden, die Emotion ist vor die Information zu stellen.

Oft fehlt es Unternehmen, die eine Selbstdarstellung, einen Imagefilm produzieren, an Distanz. Die tollsten Erfolge werden selbstverliebt aneinandergereiht – das Publikum gähnt. Was hilft?

Cossart: Die eigene Presseabteilung schreibt meist nicht die besten Imagefilme. Meine größten Erfolge hatte ich mit Imagefilmen für Firmen, deren Produkte mir vorher nahezu unbekannt waren. Wenn Sie nur solche Geschichten ins Auge fassen, die aus Ihrem unmittelbaren Interessengebiet kommen, werden Sie Dinge als selbstverständlich annehmen, die Dritten völlig unbekannt sind. Es ist manchmal besser, als Anfänger an eine Aufgabe heranzugehen, sich unbekannte Gebiete zu erarbeiten und Dinge zu hinterfragen, die den Profis allzu geläufig sind. Dann werden Sie von allen verstanden.

Wie sind Sie als Autor für Industriefilme vorgegangen?


Cossart: In meiner Eigenschaft als Industriefilmer habe ich über die unterschiedlichsten Produkte und Herstellungsweisen Filme gemacht. Immer bin ich Anfänger gewesen, was dem Erzählstil niemals geschadet hat. Im Gegenteil wurden die Filme aufgrund ihrer überraschenden Herangehensweise und aufgrund ihrer rational-analytischen Erzählweise geschätzt. Genau darin liegt der Grund, warum es besser ist, das Corporate Publishing, die journalistische Unternehmenskommunikation, außer Haus zu geben. Ein Geschichtenerzähler, der sich ganz neu in ein Gebiet hineindenken muss, bietet erfrischende Perspektiven auf die Themen, was kein Interner leisten kann.

Eine Geschichte sollte aber auch zur Positionierung des Unternehmens passen und authentisch sein …

Cossart: Authentizität ist nicht nur vom Vorwissen abhängig, sondern Resultat guter Recherche.



Woran merkt man, dass eine Geschichte gut ist – gibt es messbare Kriterien?


Cossart: Eine gute Story steht und fällt mit der Reaktion des Publikums. Daran hängt der Erfolg einer jeden Kampagne ab. Der ist vielleicht sogar messbar – in Verkaufszahlen.

Sie unterrichten schon lange Film-Schaffende wie auch Interessierte aus Industrie und kleinen Unternehmen – was begeistert Sie dabei immer wieder?

Cossart: ... zu sehen, wie aus vormals reinen Wissensvermittlern begeisterte Geschichtenerzähler werden.

Danke für das Interview, Edgar von Cossart!

Mehr zum Drehbuchautor, Dozenten und Buchautor Edgar von Cossart lesen Sie hier:
http://drehbuchseite.de